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Das neue Weltbild der MS
Wo leben Menschen mit MS? Eines der spannendsten Themen rund um die Multiple Sklerose ist die Frage: Wo überall leben Menschen mit MS? Denn um kaum eine andere Frage ranken sich so viele Märchen und alte Zöpfe. Sie finden sich unverändert seit Jahrzehnten sogar in der Fachliteratur. Der eine Autor schreibt sie vom andern immer wieder ab. Hier liegt eine echte Herausforderung, nach aktuellen Fakten und Informationen zu suchen: MS weltweit was gibt es Neues? MSIF international und aktuell - Die beste Informationsquelle für internationale Recherchen ist die MSIF Multiple Sclerosis International Federation. Die MSIF in London, gegründet 1967, ist die Dachorganisation der offiziellen nationalen MS-Gesellschaften auf der ganzen Welt. Seit einigen Jahren hat sie sich mit MSIF einen neuen Namen gegeben und bietet sehr gute Internet-Seiten. Unter der Adresse www.msif.org gibt es viele interesssante Informationen, inzwischen auch auf deutsch. Die wichtigsten Daten im Überblick: 82 Länder rund um die Erde - Aktuell hat die MSFI Kontakt zu 82 Ländern der Erde. Davon sind 42 Mitgliedsländer (members, z.B. Deutschland), in denen es bereits eine national arbeitende MS-Gesellschaft und auch verlässliche Zahlen gibt. Weiterhin gibt es zurzeit 40 Entwicklungsländer (developing countries), in denendie MS neu aufgetreten ist und wo die MSIF mit bewundernswertem Einsatz internationale Aufbauarbeit leiste (siehe unten). Neue Mitgliedsländer - Auf einigen MS-Karten sind immer noch viele Regionen "weiß" gezeichnet, in denen wir heute Daten haben. So gibt es bereits seit längerem MS-Gesellschaften in Südamerika (Argentinien, Chile, Brasilien), ebenso im Mittelmeerraum (Griechenland, Türkei, Zypern, Malta). Seit einigen Jahren entstehen MS-Gesellschaften in Osteuropa (Polen, Rumänien, Slowakei, Tschechien, Lettand). Die drei jüngsten MSIF-Mitglieder sind zurzeit der Iran (2000) und Mexiko (2002) und Korea (Oktober 2003). Südkorea seit Oktober 2003 - Anfang Oktober 2003 gab es eine traurige Entwicklung: Ein bisheriges Mitglied fiel aus der Liste der Mitglieder heraus was es bisher noch nie gegeben hat - und ein neues kam hinzu. Südafrika hat keine nationale MS-Organisation mehr. Korea wiederum wurde als jüngstes Mitglied neu aufgenommen. Alte Märchen ... und neue Fakten - Immer wieder gibt es Märchen. Zum Beispiel, dass die "Eskimos" keine MS kennen, oder dass es in Afrika, in Asien sowie am Äquator bis zu den 30. Breitengraden keine MS gibt. Ein gründliches Nachforschen bei der MSIF zeigt: Das stimmt heute alles nicht mehr.
Das neue Weltbild der MS - Wenn heute vieles überholt ist was stimmt denn dann? Wo leben Menschen mit MS? Und wo besonders viele? Um eine Antwort zu finden, habe ich die aktuellen MS-Raten aller 42 Länder ausgerechnet, aus denen wir zuverlässige Zahlen haben. Geht man von den geschätzten Werten der MSIF aus (z.B. Deutschland 122.000 Menschen mit MS) und setzt sie in Bezug zur Einwohnerzahl des jeweiligen Landes (z.B. Deutschland 81,8 Mio.), dann bekommt man die aktuelle MS-Prävalenz und eine neue Top Ten. Immer mehr Länder, immer mehr Leute - Zwei Dinge sind auffällig: Erstens gibt es in der Fachliteratur und erstaunlicherweise auch bei der MSIF im Internet keine aktuelle MS-Karte. Diese haben wir für Sie gezeichnet (vgl. Infokasten: Die neue Weltkarte der MS). Zweitens: Alle MS-Raten haben sich deutlich erhöht. Galt vor wenigen Jahren ein Wert von 80/100.000 noch als hoch, ist das heute nur noch Mittelfeld. Die Aufklärung über MS ist dank der MS-Gesellschaften heute gut, die Möglichkeiten der Diagnostik haben sich enorm verbessert, und auch die MS breitet sich weltweit möglicherweise aus und nimmt zu. Die neue Top Ten - An der Spitze liegt heute Skandinavien, dicht gefolgt von West- und Zentraleuropa. Auch Nordamerika gehört dazu. Die neue Top Ten im Detail: Die international höchste MS-Rate hat Norwegen, dicht gefolgt von Schweden und Kanada. Es folgen Irland, Polen, Deutschland, Großbritannien, Schweiz, Dänemark und die USA. Auf den nächsten Plätzen liegen, auch interessant: Belgien, Ungarn, Finnland, Island und Australien. Gemeinsamkeiten der Top Ten - Die Frage drängt sich förmlich auf: Gibt es Gemeinsamkeiten in der Top Ten? Bleibt man bei den Fakten und das wollen wir ja hier dann kann man nur feststellen: Es sind vor allem westeuropäische Länder sowie Länder, die von dort aus besiedelt wurden.. Und es gibt ein Nord-Süd-Gefälle. In Europa lässt sich das besonders gut sehen. So sind z.B. Großbritannien und Deutschland unter den Spitzenreitern, während die Mittelmeerländer weniger von MS betroffen sind. Interessantes Detail: In Spanien steigen die Daten seit einigen Jahren, während sie im östlichen Mittelmeerraum heute (noch) so niedrig sind wie vor etwa 20 Jahren in Spanien. Es könnte einem der Gedanke kommen, dass Skandinavien nur deshalb die weltweit höchsten MS-Raten hat, weil es dort eine sehr gute und vor allem frei zugängliche medizinische Versorgung gibt. Dieses Argument ist sicher nicht von der Hand zu weisen. Richtig ist jedoch auch: "MS kann heute weltweit diagnostiziert werden, vor allem in den Großstädten." (Paul Rompani, MSIF). Aber: In den meisten Ländern der Welt kostet das richtig Geld. Fast überall stürzen junge Menschen mit MS in große Probleme, weil sie sich für Krankenhausaufenthalte, teure Diagnostik und ebenso teure Therapie finanziell ruinieren. Wir in Deutschland haben allen Grund, sehr dankbar zu sein. Vielleicht sollten wir internationale Patenschaften starten? Nicht nur mit Geld, sondern auch Brief- und Emailfreundschaften? Junge Leute rund um die Welt - Gibt es etwas, das alle betroffenen Länder gemeinsam haben? Oder genauer gefragt, da ja besonders junge Leute erkranken: Was haben junge Leute in diesen Ländern rund um die Welt heute gemeinsam? Eine schwierige Frage, und ich neige fast dazu, sie unbeantwortet zu lassen. Mir persönlich ist nur eine Sache aufgefallen: Binnen zwei Generationen hat sich das Bild der Welt vollkommen verändert. Unsere romantischen Vorstellungen treffen nicht mehr zu: Es gibt keine jungen Eskimos im Iglo mit Fisch zum Frühstück mehr. Junge Isländer und Schweden sitzen heute in warmen Häusern vor dem Powerbook und schicken ihre Arbeit per Email nach Reykjavik und Stockholm. Überall die gleichen Jeans, die gleiche Musik, die gleichen McDonalds-Restaurants. Und auch das Risiko, an den gleichen Krankheiten zu erkranken. Krankheiten, die seit langem ein Problem in Europa und den USA sind (z.B. Diabetes), breiten sich heute auch in den Großstädten Asiens aus. Die größte Auffälligkeit aller 42 Länder ist, dass Japan in der Gruppe der Top Ten fehlt und sich am unteren Ende der Skala wiederfindet: Ein reiches, fortschrittliches Land mit 125 Millionen Einwohnern und Mega-Millionenstädten (Tokio 11 Mio.). Aber eben kein westliches Land, zumindestens nicht in den Ernährungsgewohnheiten. Und mit fast keiner MS: Nur 29 bekannte Fälle. Offensichtlich birgt der japanische Alltag - trotz extremem Lärm und Stress sowie Arbeitszeiten fast rund um die Uhr fast kein Risiko, an MS zu erkranken. Fazit und Ausblick - Es gibt ein neues Weltbild des "young global village" und auch ein neues Weltbild der MS. Die Krankheit gibt es heute fast überall. Angenommen, Dr. Joseph Evers hätte Recht gehabt mit seiner These, dass MS eine Krankheit ist, die direkt mit der Ernährungsweise des Westens zusammenhängt - dann wäre diese These heute noch dringlicher. Denn zwei, fast drei Generationen später muss man sagen: Der Westen ist heute fast überall. Und die MS auch. Ich bin mir sicher: Wenn wir dieses neue Weltbild der MS wahrnehmen, dann steigt die Chance enorm, auch der Ursache endlich einen Schritt näher zu kommen. Die 42 Mitglieder und 40 Entwicklungsländer der MSIF sehr hohe MS-Prävalenz (>150/100.000): 1) Norwegen hohe MS-Prävalenz (>100/100.000) 6) Deutschland mittlere MS-Prävalenz (>50.000) 21) Luxembourg geringe MS-Prävalenz (>50/100.000) 30) Türkei extrem niedrige MS-Prävalenz (> 5/100.000) 40) Japan
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Erläuterung: Berechnungsgrundlagen der MS-Prävalenzen ist nicht die Zahl der bekannten Menschen mit MS (z.B. Deutschland = 50.000), sondern die allgemein verwendete, geschätzte Anzahl der Menschen mit MS (z.B. Deutschland = 122.000). Die Länder sind sortiert nach MS-Prävalenz, in absteigender Reihenfolge, und aufgeteilt in 5 Felder: sehr hohe Rate (>150/100.000), hohe Rate (>100/100.000), mittlere Rate (>50.000), geringe Rate (>50/100.000), extrem niedrige Rate (> 5/100.000) und Entwicklungsland (die esten MS-Fälle sind aufgetreten; MSIF hat bereits Kontakte und hilft, eine nationale Hilfsorganisation aufzubauen; noch ohne Daten) Quellen u.a.: MSIF Multiple Sclerosis International Federation, London, www.msif.org WHO World Health Organisation, New York, www.who.org DIE WELT. Atlas und Almanach, Kunth Verlag 2000 Staaten der Erde, in: Das Harenberg Jahrbuch Nr. 1: Aktuell, 2003 Dankeschön! Ich danke der MSIF für die großzügige Hilfe und Unterstützung! Adresse
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