Home

Was ist MS?
Brainfood
Relax!

Aktuell
Neu betroffen

Infos zum Buch

Über mich
Impressum

Hilft Sport bei MS?

Erfahrungen von Betroffenen
Christine Wagener-Thiele

Hilft Sport bei MS? Ist Sport vielleicht sogar eine gute ergänzende MS-Therapie – und wenn ja, was und wie? Gibt es gute Tipps und Erfahrungen bei den Betroffenen selber? Um diesen Fragen nachzugehen, habe ich im November 2005 eine Umfrage in meinem Email-Verteiler MS-ALTERNATIVEN gemacht. Das Echo war überraschend hoch. Von 190 Personen mit MS haben 68 ausführlich geantwortet – fast alles Menschen mit MS, die schon seit Jahren Sport treiben bzw. sich gerne bewegen. Auch die Einzelergebnisse haben mich erstaunt. Nicht nur die MS ist besser als ihr Ruf – auch Menschen mit MS sind aktiver als ihr Ruf!

Wer treibt Sport?
Rund jeder dritte gesundheitsinteressierte Mensch mit MS treibt Sport. Dabei sind alle Lebensalter zwischen 26 und 62 Jahren vertreten, ebenso auch alle Behinderungsgrade von „weitgehend symptomfrei“ über „mit ständigen Beschwerden“ bis „meistens im Rollstuhl“. Es scheint egal zu sein, wie alt jemand ist und wie krank oder behindert er ist: Wer sich bewegen will und dadurch konkrete Verbesserungen erlebt, der tut es auch.

Bausteine der Gesundheit
Interessant ist auch, dass es offensichtlich Synergie-Effekte gibt: Wer MS hat und Sport treibt bzw. sich gerne bewegt, tut dies, weil er auch insgesamt an einer gesunden Lebensweise interessiert ist. Fast alle sportlichen Menschen mit MS halten eine MS-Diät (Evers, Swank, Hebener, Embry) und nehmen gezielte Nahrungsergänzungen. Alle sind Nichtraucher. Einige von den jünger Betroffenen (Diagnose MS seit einem bis zehn Jahren) haben geschrieben, dass sie heute schlanker, fitter und gesünder sind als jemals zuvor.

Zeit für mich
Die meisten Menschen mit MS machen Sport alleine, mit einer Freundin/Freund oder gemeinsam mit ihrem Partner. Nur wenige treiben Leistungssport, auch Mannschaftssport (z.B. Basketball) kommt eher selten vor. Es scheint fast so, dass viele Menschen mit MS Sport machen, um endlich einmal Ruhe zu finden. Sie wollen sich entspannen, abschalten, etwas „nur für mich“ tun.

Schritte der Besserung
Etwa die Hälfte der Befragten macht Sport einfach deshalb, weil sie es auch vor der Diagnose schon gemacht hat und Freude an der Bewegung hat. Die andere Hälfte aber treibt Sport wegen der MS und hat auch erst nach der Diagnose damit angefangen. Insbesondere diese Gruppe erlebt durch die regelmäßige Bewegung konkrete Verbesserungen. Alle sind davon überzeugt, dass der Sport, gemeinsam mit ihrer gesunden Lebensweise, dazu beiträgt, dass es ihnen so gut geht.

Ruhe und Entspannung
Sport für Neubetroffene

Ruhige Sportarten werden in den ersten Monaten nach der Diagnose MS besonders gerne ausgeübt. Autogenes Training, Qi Gong, Tai Chi und Yoga sind sehr beliebt bei allen Neubetroffenen, die ihre innere Stärke neu entdecken wollen. Aber auch kurzes Schwimmen und sanftes Laufen werden gemacht. Jeder so, wie er kann! Den Betroffenen geht es nicht um Ehrgeiz und Perfektionismus, sondern um Ruhe, Entspannung und frische Luft. „Der Sport hilft mir, wenigstens ein bisschen Ruhe in mein Leben zu bringen.“ (Martina, 36, Diagnose MS 2005, berufstätig, Haushalt und kleines Kind)

Power und ein neues Leben
Sport bei seltenen oder leichten Behinderungen

Zu dieser Gruppe gehörten die meisten, die geantwortet haben. Sie alle haben zwei bis zehn Jahre MS. Fast alle haben gelegentliche oder ständige leichte Beschwerden, wie z.B. Gehstörungen, Gleichgewichtsprobleme, Müdigkeit, Sehstörungen. Dennoch sind die meisten berufstätig, egal ob Männer oder Frauen. Einige haben auch (zusätzlich) noch Kinder.
Grund genug, sich abends müde aufs Sofa zu legen? Aber nichts da! Erstaunliches Ergebnis: Menschen mit MS machen einfach alles an Sport, was möglich ist und was gut tut. Die beliebtesten Sportarten in dieser Gruppe sind schwimmen, joggen und Fitness-Studio (Kraft- und Ausdauertraining). Alle geben an, dass sie konkrete Besserungen durch den Sport erleben: Ausdauer, Fitness, Wohlbefinden, Konzentration und Selbstwertgefühl nehmen stark zu. Umgekehrt sind Müdigkeit und Depressionen eher selten.

Im Verteiler sind sogar zwei junge Frauen mit MS, die joggen und Marathon laufen. Beide haben erst nach der Diagnose mit dem Laufen angefangen. Toll! Aber auch alle anderen verdienen Bewunderung. Noch einmal: Rund die Hälfte aller sportlich aktiven Menschen mit MS hat überhaupt erst nach der Diagnose damit angefangen. Die MS wurde zum Anlass, ein neues Leben zu beginnen und mehr für die eigene Gesundheit und Fitness zu tun. „Sport unterstützt eine positive Gesamthaltung zu seinem Körper und seiner Krankheit. Sport gibt das Gefühl, aktiv etwas für sich und damit auch gegen die MS zu tun. Man lässt sich nicht hängen und gibt sich nicht auf, sondern geht positiv nach vorne.“ (Dirk, 42, Diagnose MS 2000)

Kraft und Ausdauer
Sport bei Behinderungen oder im Rollstuhl

Auch im Rollstuhl kann man schlank und fit bleiben! Es scheint sogar so, dass die Besserungen durch den Sport umso größer sind, je stärker die Behinderung ist. Die beliebtesten Sportarten bei Leuten mit MS, die einen Stock oder Rolli benutzen, sind schwimmen, Gymnastik, Motomed, SOWI und Qi Gong. Zwei Leute schreiben, dass Schwimmen ihre Spastik mildert und sie dadurch keine Medikamente nehmen müssen. Auch andere erwähnen, dass ihre Verspannung im Rücken durch schwimmen besser werden: „Dieses Gefühl, im Wasser zu sein, ist schon toll und absolut entspannend.“ (Thomas, 46, Diagnose PPMS 1997). Eine junge Frau mit schwerer MS berichtet, dass sie mit Depressionen zu kämpfen hatte und diese durch den Sport besser wurden. Die körperliche Bewegung tut auch Geist und Seele gut: „Qi Gong ist für meine Seele wunderbar, mache es gleich nach dem Aufstehen, und der Tag geht ganz anders los.“ (Dagmar, 61, Diagnose MS 1997).

Bewegung ist mehr als Sport
Eine Teilnehmerin der Umfrage hat geantwortet: „Ich finde, Sport ist Mord, aber reiten macht mir Spaß!“ Eine andere schrieb: „Ich mache keinen Sport, aber ich fahre jeden Tag 30 Minuten mit dem Rad zur Arbeit und wieder zurück.“
Solche Antworten habe ich mitgezählt. Ich persönlich finde sogar: Auf den Sport selber kommt es eigentlich gar nicht an. Es gibt auch Leute, die jeden Tag eine Stunde mit dem Hund spazieren gehen oder die gerne im Garten buddeln. Es geht darum, ein gutes Körpergefühl zu entwickeln, an Kraft und Ausdauer zu gewinnen und vor allem: mit dem eigenen Leben neu in Bewegung zu kommen. „Verharren oder Aufbrechen – es gibt nur die beiden Alternativen.“ (Renate Frommhold)

Auf den eigenen Körper hören
Auf die Frage, was bei MS und Sport besonders zu beachten ist, waren sich alle einig: Keine Überanstrengung! Auf den eigenen Körper hören! Während gesunde Menschen beim Sport immer etwas über ihre Grenzen hinausgehen, besteht das Geheimnnis eines stabilen MS-Verlaufes darin, immer ein gutes Stück unterhalb des Limits zu bleiben. Man muss immer seine persönliche Balance der Gesundheit wahren. Wer über seine Grenzen hinausgeht, ob privat, im Job oder beim Sport, wird erleben, dass auch die MS über ihre Grenzen hinausgeht und sich schnell verschlechtert.
Ein zweiter wichtiger Punkt ist, dass Menschen mit MS eine längere Ruhepause brauchen. Das muss man einfach wissen. Direkt nach dem Sport kann man sich nichts anderes vornehmen. Lieber duschen und ausruhen.
Einen dritten Punkt möchte ich persönlich noch hinzufügen. Manche Neubetroffene mit Gehproblemen machen den Fehler zu denken, MS ist eine Störung in den Beinen, also hilft Bewegung. Das ist leider nicht so. Im Gegensatz zu orthopädischen Problemen verschlechtern sich akute Entzündungen durch Anstrengung. Also, ganz wichtig: Bei Bedarf ruhig halten und eine Trainingspause einlegen bzw. nur ruhige Sportarten ausüben.

Verbessert Sport den Verlauf der MS?
Nach dieser kleinen Umfrage unter Betroffenen würde ich sagen: Der Sport allein hat keinen Einfluss auf den Verlauf der MS, aber die insgesamt gesundheitsoriente Lebensweise macht doch einen Unterschied. Ich kenne viele Leute im Verteiler persönlich, und es sind viele dabei, denen es nach 10 Jahren MS noch recht gut geht bzw. deren MS erst nach 15 oder mehr Jahren chronisch geworden ist.

Medikamente sind wichtig, natürlich. Aber darüber hinaus ist bei einer chronischen Krankheit auch die Lebensweise selber ganz entscheidend. Eine sofort nach der Diagnose einsetzende MS-Diät, gezielte Nahrungsergänzungen, mehr Ruhe und Entspannung, regelmäßige leichte Bewegung, vielleicht sogar an der frischen Luft – alles das sind Bausteine der Gesundheit und Schritte der Besserung.

Chancen für DMSG und Ärzte
Fast keiner der aktiven Menschen mit MS, die geantwortet haben, ist Mitglied in der DMSG. Das finde ich auffällig: Gerade junge, sportliche und besonderes gesundheitsorientierte Leute mit MS fühlen sich von der DMSG oft nicht angesprochen. Die fast ausschließliche Orientierung auf Medikamente ist ihnen zu wenig. Zur Bekämpfung ihrer chronischen Krankheit wünschen sie sich mehr: eine integrative Gesundheitsbegleitung, die ihnen dabei hilft, schnell wieder fit zu werden und möglichst lange zu bleiben. „Dreieinhalb Jahre nach der Diagnose bin ich mittlerweile auf einem guten Weg. Aber muss das so lange dauern?“ (Christian, 38, Diagnose MS 2002).
Für Sportangebote wäre es außerdem hilfreich, die Zielgruppe genau zu definieren. „Gymnastik für Menschen mit MS“ – das reicht einfach nicht und schafft nur Frust. MS ist nicht gleich MS. Die Bedürfnisse von Neubetroffenen sind ganz anders als die von langjährig Betroffenen.

Zu guter Letzt....
...möchte ich noch erzählen, wie ich es selber mit dem Sport halte. Ich gebe es offen zu: Ich bin ein Spätzünder. Ich finde den meisten Sport langweilig und geistlos. Auch auf meinem Laufband habe ich es nicht lange ausgehalten. Erst jetzt, mit 43, nach 20 Jahren MS und nach einer schlimmen Scheidung, habe ich herausgefunden, was mir gut tut: Ich schwimme gerne. Ich habe oft Nackenschmerzen vom Schreiben am Computer, und auch bei Angst und Überforderung verspanne ich mich schnell. Beim Schwimmen und „Floaten“ verschwindet alles wie von selbst. Außerdem mag ich die frische Luft und die Sonne, wenn sie auf das Wasser glitzert. Und nicht zuletzt mag ich es, schlank zu bleiben und meinen neuen Liebsten ohne alles oder in der Badehose zu sehen. Es ist wirklich so: Jeder hat seine Chance, egal wie behindert und egal, wie alt. Sogar so ein Sportmuffel wie ich. Leben heißt, jeden Tag neu anfangen.

Sport bei MS
Die Ergebnisse der Umfrage im Überblick

Schwierigkeitsgrad 1
Symptomfrei/nicht behindernde Symptome
(Kribbeln im Bein, Müdigkeit)

Ausgeübte Sportarten:
Autogenes Training
Berg steigen
Fitness-Studio
Joggen
Qi Gong
Reiten
Spazieren gehen
Schwimmen
Tauchen
Tai Chi
Yoga

Motive und Besserungen:
Alleinsein
Entspannung
Ruhe
Frische Luft
Freude an der Bewegung
Kontakt mit der Natur
Kontakt mit Tieren

Schwierigkeitsgrad 2
Gelegentliche oder leichte Behinderungen (Gehstörungen, Gleichgewichtsprobleme, Sehstörungen)

Ausgeübte Sportarten:
Fitness-Studio
Heimtrainer
Nordic Walking
Krafttraining
Qi Gong
Rad fahren
Spazieren gehen
Schwimmen
Stepper
Fitness-Studio
Gymnastik
Heimtrainer
Hippotherapie

Motive und Besserungen:
Aktiv sein
Bewegung erhalten
Fitness
Wohlbefinden
Selbstwertgefühl
Positives Gefühl gegenüber dem eigenen Körper und der Krankheit

Schwierigkeitsgrad 3
Starke Behinderung (schwere Gehstörungen, Stock oder Rollstuhl)

Ausgeübte Sportarten:
Motomed
Radfahren
Schwimmen
SOWI
Stilles Qi Gong
Yoga

Motive und Besserungen:
Ausdauer und Kraft
Fitness
Gewicht
Konzentration
Depressionen lindern
Weniger Müdigkeit
Lauffähigkeit erhalten
Verspannungen und Spastik lösen


Literatur für Aktive:
Rüdger Dahlke u.a.: Die Säulen der Gesundheit. Körperintelligenz durch Bewegung, Ernährung und Entspannung, Hugendubel 2000
Renate Frommhold: In Bewegung kommen. Erfahrungsbericht einer Multiple-Sklerose-Patientin, pala Verlag 2005
Christoph Heesen, Karl-Heinz Schulz: Auswirkung körperlicher Betätigung bei chronisch Kranken. Beispiele aus der Onkologie und der Neurologie, Studie am Universitätsklinikum Eppendorf, Hamburg 2005
Ivonne Radtke: Informationen und Seminare zu Qi Gong und MS auf ihrer Wegpage www.ivonne-radtke.de
Gudrun Warnecke, Diana Braasch: Bewegungstraining bei Multipler Sklerose Deutscher Medizin Verlag 2003 (geeignet für Schwierigkeitsgrade 2-3)
Barbara Zaruba, Sonja Wierk: Dem Leben wiedergegeben. Erfolgreiche Selbsttherapie bei Bewegungsstörungen wie Schlaganfall, Parkinson, MS
Christine Wagener-Thiele: Natürliche MS-Therapien. Sanfte und wirksame Behandlung von Multipler Sklerose, Neuausgabe 2005 (mit großem Therapie-Überblick)

 

 


Was einmal geht,
geht immer.


Sonja Wierk, Gründerin der SOWI-Therapie